Typografie ist geistige Arbeit

Typografie ist für Martin Z. Schröder Interpretation. Das Papier, das Format, die Schrift, die Farbe, der typografische Entwurf — sie alle vermitteln das Wort. Neben der Arbeit in der Werkstatt hat sich der Drucker gründlicher mit der Handwerkskunst des Schriftsatzes befaßt und viele Aufsätze und Rezensionen darüber für Zeitungen, Magazine und das Radio geschrieben. Hier eine Auswahl von Texten von Martin Z. Schröder aus deutschen Feuilletons.

Vom Rechnen mit der Zwölf

Das Duodezimalsystem ist noch in Gebrauch
Berliner Zeitung, 4. Februar 2021

Wir rechnen zwar noch mit zweimal zwölf Stunden die Tageszeit aus und können einen Kreis glatt durch die zwölf teilen, aber das Duodezimalsystem ist kaum noch gebräuchlich. In der Druckerei nach Johannes Gutenberg muß es wohl vom Mittelalter her hängengeblieben sein aus den Längen- und Gewichtsmaßen und Währungseinheiten im Zwölfersystem. Die Wörter »elf« und »zwölf« statt einzehn und zweizehn weisen auf weiter zurückliegenden Ursprung des duodezimalen Zählens hin. Als Schriftsetzer mit bleiernen Lettern habe ich jeden Tag mit dieser alten Rechnungsart zu tun. Die kleinste ganze Einheit ist der typografische Punkt: kein geschriebenes Pünktchen, sondern Punkt als Name der Maßeinheit.

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Kleine Zeichen

Eine Chronik in Kunstwerken: Druckgrafik war das Markenzeichen des Leipziger Verlegers Karl Quarch
Berliner Zeitung, 31. Oktober 2019

Mit kriegsbedingten Unterbrechungen produzierte der 1919 von Karl Quarchs Vater gegründete Verlag Glückwunschkarten, Anhänger, Tischkärtchen in allen Druckverfahren und mit technischer Raffinesse, wie sie heute selten geworden ist. Weil der Vater früh stirbt, übernimmt Quarch als Siebzehnjähriger den Verlag, und Mitte der 1960er Jahre kommt er auf die Idee, den Holzstich als Originalgrafik zu verlegen, also Abzüge vom Holzstock in hoher Auflage. Damit begründet er ein Genre, das in der Verlagsgeschichte einmalig sein dürfte: die signierte Druckgrafik in hoher Auflage als Gebrauchsartikel zum Minimalpreis, Kunst für alle. – Buchbesprechung: Ekkehard Schulreich: Ins Schwarze!

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Im Zeichen der gedrehten Null

Elegante Münzen und moderne Zeitschriften: Zum Tod des Gebrauchsgrafikers Axel Bertram
Berliner Zeitung, 19. März 2019

Er kam mit sorgfältig gezeichneten Skizzen, und ich wurde vom Meister angewiesen, für ihn die Wortabstände enger als gewöhnlich in die Zeilen aus Blei zu setzen. Es war wie in einem Lokal, wo für einen besonderen Gast nach eigenem Rezept gekocht wird. Und der Gast brachte dann noch seine Gewürze mit. In diesem Fall waren es die Korrekturen um Zehntelmillimeter, die in einer kalligrafie-artigen Handschrift meinen Schriftsatz verbesserten. Ich wusste nicht einmal, dass es sich bei dem feinsinnigen Herrn um einen Professor handelte, denn einen bedeutenderen Klang als sein Titel hatte in den Buchverlagen und Zeitungsredaktionen, in großen Werbeagenturen und kleinen Druckereien sein Name: Axel Bertram.

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Holzstich von Hans-Joachim Behrendt

Ansprache zur Ausstellung von gedruckten Stichen, Holzstöcken und Werkzeug in der Agentur TA-TRUNG | Rheinsberger Straße 7 | 10115 Berlin am 24. Februar 2017

Sie kennen sicherlich den sogenannten Apfelzett-Reflex: Man hat am Computer etwas angestellt, das rückgängig gemacht werden soll. Auf dem Computer ist das mit einer Tastenkombination erledigt. Der Schritt zurück in der Grafik ist nun nicht ganz neu. Man behilft sich gegen Irrtümer auf dem Papier mit Radiergummi, Tipp-Ex, Rasierklinge. Es gibt aber grafische Techniken ohne ...

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Bleisatz, Maßanzüge und Platinschmuck

Wie sich traditionelle Satztechnik als Distinktionsmerkmal erhält

Vortrag auf der Tagung »Transformationen des Buchdrucks« des Basisprojekts Matter of Typography in Kooperation mit der Buchdruckerei Offizin Haag-Drugulin und dem Verein für die Schwarze Kunst 9./10. Juni 2016, Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung der Humboldt-Universität zu Berlin

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Die technischen Diener der Dichtkunst

Über den Umgang mit »Hurenkindern« im Verlagswesen
Berliner Zeitung, 14. März 2016

Zwei Schriftsteller hörte ich aus ihren Edelfedermäppchen plaudern. Der eine schätzte seinen Verlag für die Freundlichkeit der Angestellten, mit denen er sich unkompliziert duze. Die andere pries ihren ebenso namhaften Verlag dafür, wie geschmeidig die Lesereisen organisiert würden. Ich erkundigte mich als mißtrauischer Typograf, ob diese Verlage von ihren Dichtern das Kürzen von Text aus technischen Gründen verlangten.

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Amateurhafte Bibliophilie

Deutschlandradio Kultur, 24. Dezember 2015
Buchkunst ist keine Materialschlacht
http://www.deutschlandradiokultur.de/j-j-abrams-doug-dorst-s-das-schiff-des-theseus-buchkunst.1270.de.html?dram%3Aarticle_id=340763
(Abruf am 14. Februar 2016)

Wenn diese Literaturkritik sich um Architektur kümmern würde, dann feierte sie die Klinkertapete auf der Betonplatte als Meisterwerk der Baukunst. Ich finde es erstaunlich, daß ein Buch derart gewürdigt wird, weil es verpackt ist wie ein Fantasy-Computerspiel und mit Schnipseln vollgestopft wie ein Puzzle.

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Friedrich Forssman über Buchentwurf

Süddeutsche Zeitung, 15. Dezember 2015
Typografie mit Seidenschal
Der Buchgestalter Friedrich Forssman erzählt in einem Werkstattbericht von seiner Arbeit an Büchern, als Diener der Texte

Wenn der Buchgestalter Friedrich Forssman bei Suhrkamp, Weidle, Reclam, zu Klampen oder dem Wallstein-Verlag auftaucht, wo nun ein Werkstattbericht über seine Arbeit erschienen ist, kommt der Seidenschal in die Bücherwelt zurück (»FF« hat ein bekanntes Monogramm, raucht Pfeife und fährt einen Oldtimer) und mit ihm die ganze herrliche Ausstattungskultur vergangener Zeiten in einer frischen Blüte. Nun darf man nicht denken, hier werde einem Dandy gehuldigt ...

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Der junge Werner Klemke in Holland

Süddeutsche Zeitung, 22. August 2014
Ein Held aus dem Antiquariat
Werner Klemke war der große DDR-Grafiker. Zuvor nutzte er seine Kunst, um Leben zu retten

»Hallo, Sie, Herr Soldat! Sie haben Ihr Schießgewehr vergessen!« Das einem deutschen Soldaten! Und das auch noch im Amsterdamer Antiquariat »Erasmus«, das heimlich mit den verbotenen Büchern von Tucholsky, Kästner und Brecht handelt. Es ist das Jahr 1942. Dem 25jährigen Werner Klemke wird das Gewehr von einem fast Gleichaltrigen nachgebracht. Der ist gerade dabei, über die Rettung seines jüdischen Schwiegervaters und seiner Frau nachzudenken, die seit ein paar Wochen einen gelben Stern an ihrer Kleidung tragen müssen, damit die Nazis sie bei ihrem Mordzug nicht übersehen. Die beiden jungen Männer kommen ins Gespräch – und Werner Klemke wird zum Urkundenfälscher und Lebensretter ...

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Das gebrauchsgrafische Werk von Axel Bertram

Süddeutsche Zeitung, 12. Dezember 2012
Nur die beste Lösung ist die angemesssene
Kunst, die man braucht: Ein Überblick über das Werk des großartigen Gebrauchsgrafikers Axel Bertram

Dieses Buch ist die Biografie einer beruflichen Liebe, die inniger und beständiger kaum sein kann. Es verschafft Einblick in das Lebenswerk des Gebrauchsgrafikers Axel Bertram, der seine Arbeit so zugewandt und andauernd neugierig ausübte, daß mit diesem Rückblick auf fünf Jahrzehnte Gebrauchsgrafik eine Sammlung von Kunstwerken entstanden ist, die eine persönliche Handschrift nicht zeigt, aus der aber ein Bertramscher Duktus geradezu leuchtet ...

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Der Typografiestreit zwischen Jan Tschichold und Max Bill

Süddeutsche Zeitung, 3. September 2012
Der Hang zum Unbedingten
Gibt es eine totalitäre Typografie? Hans Rudolf Bosshard rekonstruiert den Streit zwischen Max Bill und Jan Tschichold

Als den »Typografiestreit der Moderne« bezeichnet man eine Auseinandersetzung zwischen Max Bill und Jan Tschichold, 1946 im Abstand von zwei Monaten als Rede und Gegenrede in der Zeitschrift »Schweizer Graphische Mitteilungen« erschienen. Der Schweizer Typograf Hans Rudolf Bosshard hat diesen Streit nun in Buchform dargestellt, gibt seine eigene Parteinahme allerdings schon durch die Gestalt seines Buches zu erkennen, das bis an die schmalen Ränder mit einer gelegentlich mangelhaft gesetzten halbfetten Serifenlosen bedruckt ist und dadurch so stark an die Neue Typografie der 1920er Jahre erinnert, daß es nicht anders als altmodisch wirkt ...

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Im Liliengarten der Einbände, Vignetten und Schrifttypen

Süddeutsche Zeitung, 2. Juli 2012
Vor 100 Jahren wurden die ersten Bände der Insel-Bücherei ausgeliefert: Die Idee des zugleich schönen und erschwinglichen Buches wurde zum großen Erfolg

Am 2. Juli 1912 kamen die ersten Bände der Insel-Bücherei in die Buchhandlungen, Rainer Maria Rilkes „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ trug die Nummer 1. Damit begann nicht nur die Erfolgsgeschichte dieses Rilke-Titels, sondern die eines markanten Buchformats. Der Leipziger Insel-Verlag war von Beginn an, seit seiner Gründung 1901, in den Händen von Liebhabern der Buchkunst. Das bis heute verwendete Signet des Verlages, das Segelschiff, hatte der Architekt, Maler, Schriftzeichner, Designer und Typograf Peter Behrens zwei Jahre zuvor für „Die Insel“, eine Literatur- und Kunstzeitschrift, entworfen.

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Das Gesicht der gelben Welt

Süddeutsche Zeitung, 6. Februar 2012
Mehr Raum für Kritzeleien: Friedrich Forssman hat das Erscheinungsbild der Reclam-Universalbibliothek erneuert

Die achte Neugestaltung seit Gründung der Universalbibliothek hat Friedrich Forssman übernommen, der sich nicht nur als Typograf — vor allem als Buchgestalter — sondern auch als Autor von Fachbüchern einen so stark für Qualität stehenden Namen gemacht hat, daß man die Entscheidung des Verlages als ein Versprechen ansehen kann. Wird es eingelöst?

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Wie mit dem Nagel festgehalten

Süddeutsche Zeitung, 27. August 2009
Schriften in unserer Zeit: Ein großes, schweres, anregendes Buch über den Typographen Adrian Frutiger

Ist einem Schriftzeichner und seinem Beruf schon einmal eine derartige Aufmerksamkeit zuteil geworden? Es gibt eine recht kurze Reihe sehr schöner Bücher über Typografen und Schriftkünstler, etwa Ernst Schneidler, Jan Tschichold, Hermann Zapf; aber bislang gab es keines wie dieses über Adrian Frutiger, das Heidrun Osterer und Philipp Stamm herausgegeben haben.

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Zeichen der Zeit

Süddeutsche Zeitung, 22. Juli 2009
Gute Typographie ist selten im Internet — aber das muß nicht so bleiben

Im Internet kündigt sich seit einigen Monaten ein Fortschritt des Mediums an, den man ihm kaum zutraut: ein ästhetischer. Denn man kann sich heute zwar Kinofilme online ansehen, aber die Zeitung auf dem Bildschirm in der Schrift lesen, wie sie das bedruckte Papier zeigt, das geht nicht. Gute Typografie ist im Internet rar.

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Elend in häßlichem Glanz

Süddeutsche Zeitung, 5. Januar 2009
Ein Buch über das Lebenswerk Jan Tschicholds

Jan Tschichold war ein Mann der Schrift. Erst revolutionierte er 1925 als Jüngling die Typografie mit einem Manifest gegen Ornament und Jugendstil in den Leipziger »Typografischen Mitteilungen«, zu dem bald jeder Schriftsetzer eine Meinung hatte. Tschichold wollte sogar die Großbuchstaben abschaffen. Später …

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Diotima, Palatino, Optima und die Dingbats

Süddeutsche Zeitung, 22. Dezember 2008
Die klassische Typographenkunst und der Computer-Schriftsatz: Über Hermann Zapf und Gudrun Zapf-von Hesse

Der Rückblick auf das Jahr 2008 zeigt zwei Jubilare, die einzeln wie als Paar beeindrucken: der Schriftkünstler und Typograf Hermann Zapf und die Schriftkünstlerin und Buchbinderin Gudrun Zapf-von Hesse. Sie wurde im Januar, er im November 90 Jahre alt.

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Gutenbergs Gewehr

Süddeutsche Zeitung, 6. Dezember 2008
Zum Tod des großen Typographen Günter Gerhard Lange.

Gerade 18 Jahre alt, wurde Günter Gerhard Lange 1939 als Freiwilliger zum Krieg einberufen und bald schwer verwundet. Für Lügen mit einem Bein bezahlt – dieser Preis habe ihn gelehrt, das Maul nicht zu halten. Dem Mann aus dem Brandenburgischen, geboren in Frankfurt an der Oder, lag das Herz später als Typograf und Lehrer nahe der Zunge.

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Die Dialekte der Handschrift

Süddeutsche Zeitung, 13. März 2008
Der Tiemann-Preisträger Florian Hardwig untersucht die absonderlichen Vorgaben, nach denen wir schreiben lernen.

Am heutigen Tage verleiht der Verein zur Förderung von Grafik und Druckkunst Leipzig e.V. den Walter-Tiemann-Preis an den 27jährigen Berliner Designer Florian Hardwig für eine aufwendige Arbeit, die sich mit den aus der schulischen Unterweisung entstehenden »Dialekten« von Handschriften befaßt.

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Eine Landkarte für Amtsschimmel

Süddeutsche Zeitung, 18. Januar 2008
Der Designer entwirft den Dialog zwischen Mensch und Verwaltung: Ein Handbuch zur Formulargestaltung.

Welche Drucksache erregt am ehesten Unwilligkeit? Das am wenigsten gemochte bedruckte Papier ist das Formular. Es belegt einen Unterschied an Macht, es tritt autoritär auf, es zwingt seinen Benutzer in eine einzige Rolle und ...

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Hilfe, ein Buchstabe fehlt

Süddeutsche Zeitung, 15. Mai 2007
Aber Ruhe. Rettung naht. Bald gibt es das große Eszett.

Nach gut 120 Jahren, in denen mehrfach zur Einführung des versalen Eszett angesetzt wurde, zeitigen die Bemühungen jetzt amtlichen Erfolg. Zwar haben Schriftenhersteller schon zu Bleisatzzeiten um 1900 das große Eszett angeboten ...

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Fraktur, mon amour

Berliner Zeitung, 23. April 2007
Die F.A.Z. denkt über ihre gebrochene Schrift nach. Diese ist längst in die Popkultur eingezogen.

Während man bei der F.A.Z. über die Altertümlichkeit der Fraktur grübelt, sind ornamental verzierte gotische Typen schon lange in der Jugendkultur angekommen. 1994 erschien das Rap-Album »Illmatic« von Nas beim New Yorker Label Columbia mit gebrochenen Lettern. Die Plattenhüllen von Snoop Dogg ...

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Weg mit den Schutzumschägen!

Süddeutsche Zeitung 8. Februar 2007
Das eigentliche Kleid eines Buches sieht anders aus. Eine Polemik gegen die »U1«

Man schleiche in der Dunkelheit, welche klare Sicht in beleuchtete Stuben ermöglicht, durch eine Straße, in die sich das oberste Fünftel der überdurchschnittlich gebildeten ...

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Freude an der Schrift

Süddeutsche Zeitung 16. Oktober 2006
Judith Schalansky engagiert sich für »Fraktur mon Amour«

Auf den ersten Blick wirkt es verrückt, eine Sammlung fast aller gebrochenen Schriften zu publizieren, die gegenwärtig für den Einsatz im Computer bereit stehen ...

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Häßliche Schrift und dummes Ornament

Süddeutsche Zeitung, 11. Mai 2006
Von der Kunst, Gedanken optisch zu verstärken: Hans Peter Willbergs und Friedrichs Forssmans »Lesetypografie«.

Das Lesen von Büchern ist so populär, daß es sogar in unterhaltsamer Television propagiert wird. Fast nie aber wird über die Gestalt des Buches gesprochen. Können sich unsere Bücher messen mit den typografischen Idealen der Vorzeiten?

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Kühn, streng und elegant

Berliner Zeitung, 20. Mai 2005
Welche Typografie hat die Berliner Zeitung?

Eine Zeitung ist typographisch wie ein Wohnzimmer eingerichtet: mit thematischen Ecken für jedes Familienmitglied. Jede Zeitung wendet sich an einen recht genau bestimmten Kreis von Lesern, dem sie ein Bildungsniveau und Meinungsspektrum unterstellt.

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Eine zackige Kehrtwendung

Süddeutsche Zeitung, 20. April 2005
Philip Luidl untersucht die Herkunft der »Schwabacher«

Warum haben wir länger als andere europäische Völker die Fraktur als Normschrift gedruckt und Kurrentschrift als Handschrift geschrieben, so lange, daß viele sie für die deutsche Schrift schlechthin halten? Und warum schreiben und drucken wir heute in Antiqua?

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Eine Schule des Sehens

Süddeutsche Zeitung, 7. Dezember 2004
Axel Bertrams »Das wohltemperierte Alphabet«

In dem Leipziger Verlag Faber & Faber ist ein einmalig wunderbares Buch erschienen; der Gebrauchgrafiker Axel Bertram hat es geschrieben und ausgestattet, es handelt von 99 Schriftkünstlern aus sechs Jahrhunderten und trägt zu recht den Titel »Das wohltemperierte Alphabet«.

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Das Buch des Buches der Bücher

Süddeutsche Zeitung, 22. November 2004
Der Antiquar Heribert Tenschert präsentiert in einem üppigen Katalog hinreissende Bibeldrucke aus sechs Jahrzehnten.

Vom Antiquar Heribert Tenschert in Ramsen am Rhein ist erneut eine Sensation zu berichten. Nein, es ist noch nicht ganz so weit, daß er die weltweit größte Sammlung von Stundenbüchern besitzt, diese illustrierten Gebetsbücher für die private Andacht von Laien, welche Auszüge aus dem kirchlichen Meßbuch für verschiedene Tageszeiten enthalten.

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Schöner geht’s nicht

Literaturen. Das Journal für Bücher und Themen, September 2004
Kunstgeschichte — Ein bibliophiles Großprojekt erschließt Kostbarkeiten.

Fünf Jahre lang hat der berühmte Antiquar Heribert Tenschert gedruckte Stundenbücher gesammelt, um einen einmaligen Katalog daraus zu erstellen. Die vor allem im Mittelalter gebräuchlichen Stundenbücher enthalten den Kalender, Stundengebete, Meßtexte, Lektionen — und vor allem sind sie illustriert.

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Kann Schrift schreien?

Berliner Zeitung, 18. September 2003
Zwei Herren im Café. Sie spielen das klassische Autokartenspiel mit dem »Typographischen Quartett«

Matthias Wimmer: Prolofaktor 4.
Mist, ich hab nur Prolofaktor 1. Welche Schrift haben Sie denn da?
Die Jenson-Antiqua.
Huuu, ausgerechnet die Altehrwürdige! Wie kommt die Jenson zu einem so hohen Prolofaktor?

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Der Typograph

Süddeutsche Zeitung, 6. Juni 2003
Zum Tod von Hans Peter Willberg

Der Typograf Hans Peter Willberg war ein Lehrer, der kameradschaftliche, selber wißbegierige Typus des Lehrers, dem seine Schüler nacheifern durften, weil er sie auf seine Reisen in das Fach aus Wissenschaft und Kunst mitnahm, das die Typografie ist. Als Kunst hat Willberg sie abgelehnt, eine nachrechenbare Wissenschaft ist sie nur in geringen Teilen.

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Die Liebe zum Detail

Süddeutsche Zeitung, 31. Mai 2003
Friedrich Forssman und Ralf der Jong legen ein Lexikon der Mikrotypographie vor.

Die Schriftsetzerei mit der Bleiletter ist fast ausgestorben. Unter allen Handwerken war ihre Geschichte kurz, sie begann um 1440 mit Gutenbergs Erfindung und lief aus seit 1970 mit der Einführung des Fotosatzes.

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Sorgfältig setzen

Süddeutsche Zeitung, 19. Juli 2002
Hans-Joachim Schauß blickt auf 45 Jahre Gebrauchsgrafik.

Auf den ersten Blick wirken Bücher aus der DDR bloß flau und vergilbt. Billige Farben, holzhaltiges Papier. Eine Sehhilfe, die den zweiten Blick schärft, liefert Hans-Joachim Schauß mit einem Rückblick aufs eigene Werk: auf fünfundvierzig Jahre Gebrauchsgrafik.

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Druckers Stolz war Gottes Ehre

Berliner Zeitung, 16 Juli 2002
Die Berliner Staatsbibliothek begeistert mit zwei Ausstellungen zur mittelalterlichen Buchkunst.

Wie gerne würde man diese Bücher einmal in die Hand nehmen, die im Vestibül der Staatsbibliothek Unter den Linden im Dämmerlicht der dunkelrot ausgeschlagenen Vitrinen liegen. Aber nicht einmal richtig ansehen kann man sie, weswegen man allerdings nicht böse sein darf, denn mehr Helligkeit würde ihnen Schaden zufügen.

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Der mit Sorgfalt gesetzte Gummistempel

Süddeutsche Zeitung, 2. April 2002
Wider die lärmenden Orgien wildgewordener Buchstaben: Zum hundertsten Geburtstag des Typographen Jan Tschichold

Betrachtet man die Typographie heute erscheinender Bücher, findet man unterhalb einiger herausragender Entwürfe viel Lieblosigkeit. Aber es erscheinen immer wieder Druckwerke, die jeder sofort als schön ansieht. Sie ähneln solchen aus früheren Jahrhunderten.

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Ach wär’ ich doch nur Klempner von Beruf!

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Februar 2002
Diese Typen sind einfach geschichtslos: Hans Peter Willberg legt dem Laien eine fachfremde Neuordnung der Schriften ans Herz

In die Klage einer ganzen Berufsgruppe aus Typographen und Schriftsetzern ließ sich bislang nur einstimmen, ohne daß Abhilfe in Sicht war: »Niemand versteht uns, keiner interessiert sich für die Regeln unserer Berufe, jeder Computerbenutzer verwaltet das typografische Erbe nach eigenem Gutdünken.«

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Am Ende wartet das Flattern

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Februar 2001
Nichts leichter als ein Satzfehler: Ein Lehrbuch der Typographie

Rezension von: Hans Peter Willberg: Typolemik/Typophilie. Streiflichter zur Typographical Correctness.

Über das Antlitz unserer Bücher wird öffentlich selten gesprochen. Darunter könnte man die Schrift und den Entwurf verstehen, die dem Buch einen charakterlichen Ausdruck geben, an dem man ablesen kann, ob es sich um einen Roman oder eine medizinische Aufsatzsammlung handelt ...

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Typografietips

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Januar 2000
Hinweis auf »Erste Hilfe in Typographie« von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman.

Der Computer hat zwar die Möglichkeiten der Schriftsprache vervielfacht, aber gutes Benehmen im typografischen Ausdruck lernt man von ihm nicht. So werden nun Aufsätze und Berichte geschrieben, die wie gedruckte Romane oder besonders zeitgemäß aussehen sollen, stattdessen aber dem Adressaten das Lesen schwer machen oder einfach nur häßlich sind.

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Bildbrei neben dem Daumen

Berliner Zeitung, 12. Januar 1999
Ein modisches Buch ist mühsamer zu lesen als eine mittelalterliche Handschrift

Von Johanna Walser ist in der Collection S. Fischer ein Taschenbuch erschienen (»Versuch, da zu sein«, Prosa, 120 Seiten, 20 Mark). Die Kurzprosa ist an den unteren Rand gerutscht, die Seitenzahl steht im Text, die Überschrift gleitet in ihn hinein.

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Material, Menschen und Maschinen

Berliner Zeitung, 12.12.1998
»Meine DDR-Bücher erkenne ich an dem gelblichen Papier«, sagt die Kollegin

Das Papier aus Sibiriens Wäldern, das der DDR vom RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, eine Art sozialistisches Brüssel) zugeteilt wurde, war stark holzhaltig. Wurde das Holz nicht chemisch aufgeschlossen, kam das darin enthaltene Lignin ins Papier.

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Die Anmut des Unscheinbaren

Berliner Zeitung, 10./11. Oktober 1998
Eine dienende Kunst, um die sich der Literaturbetrieb nicht einmal zur Buchmesse kümmert: die Typographie

Am Anfang kriegt der Mensch einen Buntstift in die Hand gedrückt und malt. Striche und Kringel zuerst, dann erscheinen die Mama, die Katze und der Vater, alle nebeneinander am unteren Bildrand.

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Schweinchenrosa mit leichtem Stritz

Frankfurter Rundschau, 7. Februar 1998
Kritik des gebrauchsgrafischen Kleinbürgertums oder: Mein liebstes Hustenbonbon

Nachdem das Original über 130 Jahre seine Dienste ordentlich getan hatte, hat man ihm nun eine zweite, veränderte Sorte zur Seite gestellt. Erst jetzt, nachdem wir so lange Zeit – schon ohne Aufmerksamkeit – von der Ursprungsfassung gezehrt haben; erst jetzt, da wir an der zweiten Fassung einige Ungeschicklichkeiten feststellen müssen ...

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Die Geschichte von Johannes Gensfleisch zum Gutenberg

war das jüngste Kind eines angesehenen Mainzer Patriziergeschlechts. Sein Geburtsdatum ist nicht bekannt, aus alten Urkunden schließt man, daß er um 1400 geboren wurde. Im Jahr 2000 feierte die Stadt Mainz den 600. Geburtstag des großen Erfinders.

Der älteste nachweisbare Vorfahre Gutenbergs war der 1330 bis 1346 als Mainzer Ratsherr erwähnte Friele Rafit zum Gensfleisch, dessen Geschlecht sich nach dem ihm gehörenden Herrschaftshaus „zum Gensfleisch“ benannte. Der Urenkel von Friele Rafit, der auch Friele hieß, heiratete 1386 in zweiter Ehe Else Wyrich zum steinen Krame, und deren dritter Sohn war Johannes.

Über Gutenbergs Kindheit und Jugend ist nichts bekannt; man weiß nur, daß im Jahre 1421 fünf Angehörige der Familie Gensfleisch zu den Münzerhausgenossen zählten, die das Metall zur Münzprägung lieferten und es auf Gewicht und Reinheit zu prüfen hatten. Gutenberg war also schon früh mit Metallarbeiten vertraut, er wurde bei der Zunft der Goldschmiede als Zugeselle geführt und beherrschte die Kunst des Metallgießens und Steinschneidens.

Das heute meist veröffentlichte Porträt Gutenbergs geht auf einen 116 Jahre nach seinem Tode entstandenen Kupferstich eines unbekannten Künstlers zurück. Leider ist dieses Bild nicht authentisch und fehlerbehaftet - wie alle Gutenberg-Porträts - und ist deshalb hier nicht abgebildet. In Gutenbergs Zeit trugen die Patrizier keine langen Bärte - die waren das Zeichen eines Pilgers oder Juden.

Johannes Gutenberg geriet als Patriziersohn in eine Zeit erbitterten Kampfes der erstarkenden Zünfte gegen die Herrschaft der Patrizier. Gutenberg mußte Mainz schließlich sogar verlassen, weil er sich weigerte, die Bedingungen der Zünfte zu erfüllen. Die verlangten, daß auch Patrizier Steuern zahlen sollten und zehn Jahre die Stadt nicht verlassen dürften. Darüber hinaus verloren die Patrizier das Vorrecht, die Hälfte der Ratsherren zu stellen. Schon 1429 wurde in Mainz ein neuer Stadtrat ohne Ansehen des Standes gewählt. Unter Mitwirkung des Erzbischofs von Mainz, Konrad III., kam 1430 ein Versöhnungsvertrag zustande. Auch Gutenberg durfte wieder in die Stadt zurückkehren.

Das tat er jedoch nicht. Er lebte von 1434 bis 1444 in Straßburg, woraufhin ihm die Mainzer Stadtkasse die Rentenauszahlung sperrte. Gutenberg ließ sich das nicht gefallen. Als der Mainzer Stadtschreiber Nicolaus von Wörrstadt sich zu einem Besuch nach Straßburg begab, machte Gutenberg ihn dort für die Auszahlung seiner Rente haftbar und ließ ihn in den Schuldturm werfen. Sodann mußte Wörrstadt schwören, Gutenberg persönlich die ausstehenden 310 Gulden zu zahlen, wovon der ihn jedoch im März 1434 nach Vermittlung des Straßburger Rates wieder entband, ohne allerdings auf seine Forderung zu verzichten. Die Stadt Mainz verpflichtete sich schließlich zur Zahlung, und Gutenberg ließ den Stadtschreiber frei. Seither gehört es zum Stand der Drucker und Setzer, Forderungen unerbittlich einzutreiben.

Gutenberg kehrte also 1444 nach Mainz zurück. In Straßburg hatte er mit zwei Geschäftsfreunden erste Versuche seiner "geheimen Kunst" unternommen, doch erfolglos. In Mainz mußte der inzwischen verarmte Gutenberg 1448 ein Darlehen aufnehmen. Denn seine Experimente kosteten ihn auch ein kleines Vermögen. So befaßte Gutenberg sich mit allerlei Gewerken wie der Edelsteinschleiferei und der Spiegelherstellung. Es wird angenommen, daß der geschickte Handwerker für seine Spiegel mit Antimon gehärtetes Blei verwandte. Genau diese Legierung, angereichert mit Zinn, wird bis heute für die Lettern aus dem Setzkasten verwendet.

Zur Fortführung seiner Druck-Experimente lieh ihm der Mainzer Bürger Johannes Fust 1.600 Gulden. Die Hälfte davon wurde verwendet, um das heute teuerste Buch der Welt herzustellen, die 42zeilige Bibel. Kurz vor Abschluß seiner Arbeiten daran, im Jahr 1455, klagte Fust seine Forderung gegen Gutenberg ein. Der hätte Fust mit dem Erlös aus dem Bibelverkauf auszahlen können, aber Fust seinerseits wartete nicht, sondern drängte Gutenberg aus dem Geschäft. Er verlangte vor Gericht das verzinste Darlehen auf einmal, alles in allem 2020 Gulden. (Für 800 Gulden konnte man zu jener Zeit 100 Mastochsen kaufen.)

So kam Fust in den Besitz der Gutenbergschen Werkstatteinrichtung, denn die wurde gepfändet. Mit dem Kalligraphen, dem bisherigen Gehilfen Gutenbergs, Peter Schöffer, der im Prozeß gegen seinen Meister ausgesagt hatte, gründete Fust eine große Druckerei, die hervorragende Drucke anfertigte und hohe Gewinne erzielte. Im Jahre 1456 erschienen hier die ersten Exemplare der 42zeiligen Bibel. Die technische Leitung hatte Schöffer, Fust betätigte sich als Verleger. Er starb am 30. Oktober 1466 in Paris an der Pest.

Gutenberg für seinen Teil konnte nur jene Geräte behalten, die ihm vor 1450 gehört hatten, also vor der Kreditaufnahme. Im Jahre1465 wurde er zum Hofmanne ernannt, das sicherte ihm jährlich neue Hofkleidung sowie zwanzig Malter Korn und zwei Fuder Wein, außerdem wurde er von allen Steuern befreit. Es ist nicht bekannt, ob er noch einmal eine Werkstatt besaß. Eine Chronik von 1508 berichtet, daß Gutenberg erblindet sei. Das wäre eine Erklärung dafür, warum keine weiteren Druckwerke von ihm bekannt sind.

Am 3. Februar 1468 starb der Erfinder der Schwarzen Kunst in Mainz. Als die Kirche des Heiligen Franziskus, an der Gutenbergs Grabplatte angebracht war, 1577 an die Jesuiten überging, wurden alle Totenschilder entfernt. Schon dreißig Jahre später konnte keine Grabplatte mehr über Gutenbergs Grab gefunden werden. Im 18. Jahrhundert errichteten die Jesuiten anstelle der alten Kirche eine Barockkirche, deren Ruinen Anfang des 19. Jahrhunderts beräumt wurden. So ist keine letzte Ruhestätte von ihm bekannt, aber die Schwarze Kunst hat ihren Erfinder und Begründer Johannes Gutenberg unsterblich gemacht.

Das Wappen der Buchdrucker

Die Bauersche Gießerei datiert die Entstehung des Druckerwappens in ihrem Titel »Aventur und Kunst« von 1940 auf das Jahr 1466, als ... Johann Mentelin in Straßburg die erste Bibel in deutscher Sprache (druckte). Im gleichen Jahr verlieh ihm Kaiser Friedrich III. ein Wappen: Hieran scheint die im übrigen unbegründete Sage von der Verleihung eines allgemeinen Buchdruckerwappens anzuknüpfen. 1640 wird in dem Drucker-Zäuner-Tanz, den Martin Rinckhardt für die Leipziger Buchdrucker gedichtet hatte, zum ersten Male der Greif als Druckerwappen erwähnt, während sich in einem von Thimothes Ritzsch verfaßten Festgedicht der früheste Hinweis auf die Sage von der Verleihung des Wappens durch Kaiser Friedrich III. findet. 1654 nahmen die Buchdrucker in Jena als Zeichen ihrer Gesellschaft ein Wappen an (...); dieses erste vollständige Buchdruckerwappen, von dem wir wissen, zeigt im Schilde und auf dem Helm einen Greifen mit den Druckerballen. 1668 verewigte der Dichter Siegmund von Birken im fünften Band seiner zu Nürnberg erschienen Ausgabe des Fuggerschen Spiegels der Ehren des Erzhauses Österreich die inzwischen entstandene Sage von den Ehrungen der Buchdrucker durch Kaiser Friedrich III.: In den meisten Fassungen des Wappens, wie der nebenstehenden von Hermann Zapf, trägt der Adler auch ein Tenakel, eine Manuskripthalterung, die auf den hölzernen Setzkasten gesteckt wurde.

Rechts ein Buchdruckerwappen, gezeichnet von Hermann Zapf, entnommen dem Umschlag der Jahresgabe 1952 des Graphischen Bundes Hamburg e.V. und des Graphischen Bundes e.V., Hannover, gedruckt im Spätsommer 1952 in der Hausdruckerei der Schriftgießerei D. Stempel AG, Frankfurt am Main.